Vom Pilz Nobody zum Profi

Vor bald 30 Jahren wagte sich Sepp Häcki in die faszinierende Welt der Pilzzucht. Aufgrund einer neuen Gewässerschutzverordnung musste er seine damalige Schweinehaltung aufgeben und richtete stattdessen im ehemaligen Schweinestall in den Hügeln oberhalb von Kerns im Kanton Obwalden eine Pilzzucht ein. Im Jahr 1995 begann er mit der Produktion von sogenannten Edelpilzen und arbeitete sich langsam in die Materie ein. Es war eine Zeit des Experimentierens und des Lernens mit vielen Rückschlägen, denn in der Schweiz gab es dazumal keine etablierte Pilzforschung. Sepp Häcki gehörte also zu den Pionieren der Branche. Heute beschäftigt die Kernser Edelpilze GmbH rund 30 Mitarbeitende mit 23 Vollzeitstellen. Seit 2022 teilt Sepp Häcki die Geschäftsführung mit Christian Fanger.

Sepp Häcki

Sepp Häcki, Geschäftsführer Kernser Edelpilze GmbH

Der Erfolg mit dem Pilzsubstrat

Ein Meilenstein in der Geschichte des Unternehmens war die Entwicklung einer vollautomatischen Substratanlage. Dieses System umfasst mehrere Arbeitsschritte wie mischen, erhitzen, kühlen, impfen und abfüllen, die in einem Arbeitsgang erledigt werden. Für diese Innovation erhielt die Kernser Edelpilze GmbH 2014 den agroPreis, mit welchem bedeutende Innovationen in der Schweizer Landwirtschaft ausgezeichnet werden. Diese autonome Substratproduktion ist denn auch bis heute ein entscheidender Faktor für den anhaltenden Firmenerfolg.

Vom Schweinestall in einen modernen Neubau

2016 vergrösserte sich die Kernser Edelpilze GmbH weiter und bezog etwas ausserhalb von Kerns einen modernen Neubau mit insgesamt rund 10’000 Quadratmetern Fläche. Seither sind Pilzzucht und Substratproduktion unter einem Dach vereint. Die für den Neubau neu konzipierten, vollautomatischen Mischanlagen wurden weiterentwickelt und um weitere Prozessschritte erweitert. Das einzigartige Abfüllsystem mit der Beuteltechnik reduziert den Plastikverbrauch um 60% gegenüber den herkömmlichen Techniken. Auch beim Energieverbrauch sind diese Anlagen wesentlich effizienter. Mit den zwei vollautomatischen Mischanlagen produziert das Unternehmen täglich 26 Tonnen Substratmischung. Ein grosser Teil der Substrate wird im eigenen Betrieb oder in den Partnerbetrieben genutzt. Der Rest wird international an ausländische, spezialisierte Edelpilzproduzenten vermarktet. Hauptabsatzländer für das Substrat sind Österreich, Deutschland, Niederlande, Frankreich, Italien, Litauen und Polen. Bis heute verkörpert der Neubau eine neue Ausrichtung der Landwirtschaft in welcher sich Moderne, Innovation und Nachhaltigkeit treffen.

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Zehn Sorten Bio Edelpilze

«Wir produzieren zehn verschiedene Bio Edelpilze / Vitalpilze: Shiitake, Kräuterseitling, Pleurotus/Austernseitling, Shimeji, Nameko, Enoki blanc, Enoki d’or, Pom Pom frisé, Pioppino und neuerdings den Pom Pom blanc (lion’s man). Neue Pilzsorten sind immer wieder ein spannendes Projekt»

Von nachhaltiger Kreislaufwirtschaft zu Pilz-Produkten

Die Energie, die zur Produktion der Substrate und Pilze benötigt wird, ist 100% Naturstrom aus Kernser Wasserkraft. Weiter erzeugen zwei Solaranlagen jährlich ca. 510’000 kWh Solarstrom. Die Substratproduktion basiert auf Upcycling-Prozessen, dabei werden nachwachsende Rohstoffe aus der Lebensmittel- und Frostwirtschaft verwendet. Die verbrauchten Substrate werden nach der Pilzproduktion weiter aufbereitet und gelangen in die Kompostierung oder Bodenverbesserung. Zwecks Optimierung der Kreislaufwirtschaft werden neue Lösungen für die anfallenden Pilzsubstrate erforscht Im August 2023 wurde mit weiteren Partnern die Firma Mycostrat GmbH gegründet. Diese konzentriert sich auf 4 Einsatzgebiete und Anwendungen. Die Entwicklung von nachhaltigen Werkstoffen wie Dämmplatten, Bauplatten, Verpackungsmaterialien, Designobjekte und veganes Leder durch Pilzmyzel oder Pilzmyzelkomposit. So werden auch Mykorrhiza Pilze zur Bodenverbesserung in der regenerativen Landwirtschaft für den Pflanzenbau angeboten. Die positiven Eigenschaften des Mykorrhiza Pilz können sogar kontaminierte Böden sanieren. Ein weiterer Teil ist die Entwicklung von Upcycling Prozessen in Kombination mit Pilzen für die Aufwertung von Nebenprodukten oder unverkäuflichen Produkten aus der Lebensmittelproduktion. Sowie die Entwicklung von Fermentationsprozessen zur Herstellung von nachhaltigen Pilz-Lebensmitteln.

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Ein weiteres zukünftiges Geschäftsfeld der Kernser Edelpilze GmbH könnte der Bereich der Convenience Produkte aus Edelpilzen sein. Das Sortiment wird kontinuierlich erweitert, aktuell werden getrocknete und eingelegte Edelpilze sowie Edelpilzgewürze vermarktet. Wichtig ist dem Unternehmen auch die Verwertung des gesamten Pilzes, so wie bei Nutztieren von «Nose to Tail» und bei Gemüsen von «Root to Leaf» gesprochen wird. In diesem Zusammenhang wird in Kerns an der finalen Entwicklung einer «Edelpilz Bolognese-Sauce» und zwei unterschiedlichen "Edelpilz Patties" gearbeitet, welche aus den Strünken des Kräuter- und Austernseitlings hergestellt werden.

Austernseitling Kernser Edelpilze GmbH (21)
Kräuterseitling Kernser Edelpilze GmbH (20)

Herausforderungen und Chancen für die Zukunft

Die Produktion unterliegt starken saisonalen Schwankungen: Während der Sommermonate ist die Nachfrage nach Pilzen geringer, von September bis November steigt diese jeweils stark an, dies bereitet dem Unternehmen grössere Herausforderungen. Es ist nicht einfach, flexibles und qualifiziertes Personal zu finden. «Die Pilzproduktion bewegt sich in einer Nische. Zukünftige Mitarbeitende müssen bereit sein, Neues zu lernen und sich mit den Prozessen und Technologien der Pilzproduktion auseinanderzusetzen. Die Key-Rohstoffe wie z.B. die Pilzbrut (Körnerbrut), sind auf wenige Zulieferanten ausgerichtet, dies erzeugt eine gewisse Abhängigkeit. Eine konstante Substratproduktion, die Auswahl der geeigneten Rohstoffe, ausgebildete Mitarbeiter und eine nachhaltige Energiestrategie sind wichtige Erfolgsfaktoren. "Bei uns treffen Innovation und Tradition immer wieder aufeinander", ergänzt Christian Fanger.

Christian Fanger ist überzeugt, dass die Akzeptanz und Bekanntheit von Zuchtpilzen / Vitalpilzen zunehmen werden: «Natürlich hergestellte Erzeugnisse mit natürlichen Rohstoffen ohne Zusatzstoffe und hohe technische Verarbeitung werden an Bedeutung gewinnen. Darunter fallen auch die neuen Produkte wie unsere Edelpilz Bolognese Sauce und Edelpilz-Patties welche eine echte Alternative zu Fleisch und oder Getreide sein können. Wir gehen auch davon aus, dass wir in der Zukunft Bio Nahrungsergänzungsmittel (Vitalpilz Präparate) mit den schweizerischen Werten (Qualität, Sicherheit, Verlässlichkeit) herstellen werden.

Faszination Pilz

Pilze bilden ein noch wenig erforschtes Universum, dem als Lebensmittel sehr viel Potenzial zugeschrieben wird. Durch die nachhaltige Produktionsweise und ressourcenschonenden Rohmaterialien können sie eine natürliche Proteinquellen sein, die wertvollen Vitamine, Mineralstoffe und Spurenelemente werten die Produkte zum «Superfood» auf. Pilze sollten auf unserem Speiseplan nicht fehlen.

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Interview mit:
Christian Fanger, Geschäftsführer Kernser Edelpilze GmbH